„Amy Carmichel“ Hilfe für Kinder in Indien    

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Rundbrief 

 

März 2005

   

 

Nachdem es in den letzten Rundbriefen meist um ernste Dinge, wie den Tsunami und seine Auswirkungen, gegangen ist, soll es heute einfach einmal einen kleinen Einblick in das Leben im Frolich Home geben, wie man es bei einem Besuch in Pandur selbst erleben kann.

Vornweg ein paar Neuigkeiten:
Insa hat letzte Woche ihr halbjähriges Praktikum in Pandur abgeschlossen und ist wohlbehütet nach Deutschland zurückgekommen.

Ich selbst hatte in den letzten Wochen insgesamt 4 Gemeindeabende in verschiedenen Kirchgemeinden in der Region Weißensee und im Grabfeld.
Neue Patenschaften haben sich aus den Gemeindeabenden bisher 2 ergeben, 4 neue Paten haben auf anderen Wegen zur Aktion gefunden, so dass jetzt (Stand 3.3.2005) 6 der 14 für dieses Jahr vorgesehenen Kindern Pateneltern gefunden haben.
Weitere Gemeindeabende sind in Planung.

Neben den Gemeindeabenden habe ich Kontakt zu Schulen gesucht, um für Brieffreundschaften zwischen den Schülern hier und in Pandur zu werben. Das Interesse war natürlich nicht bei allen Schülern hier umwerfend, aber einige Briefe sind doch entstanden und werden mit der nächsten Post nach Pandur gehen. Was sich daraus dann entwickelt bleibt abzuwarten. Es ist auf jeden Fall für beide Seiten eine gute Chance die Englischkenntnisse zu verbessern.

Mit vielen Grüßen W. Stelle

 

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Briefe aus Pandur (3)


Der heutige Text stammt von Herrn Friedhelm Beyreiss.
Er ist der Urenkel vom ersten Pfarrer in Pandur, Herrn Pfr. Johannes Kabis und schildert hier seinen ersten Tag bei seinem ersten Besuch in Pandur im Jahr 2001.
Die Episode ist mit freundlicher Erlaubnis des Autors dem Buch "Auch Fledermäuse kann man streicheln" (Eigenverlag Friedhelm Beyreiss, Jever) entnommen.

 

 Friedhelm Beyreiss


Pandur
Samstag, 12.11.2001

Frühstück gibt es um neun, wurde mir gesagt, aber um fünf Uhr weckt mich die ohrenbetäubende Hindumusik, um sechs Uhr ist es endlich hell und kurz danach sitze ich staunend auf der Veranda - mein erster Morgen in Pandur. Rundherum wuselige Geschäftigkeit der Mädchen, weiße Bluse, blauer Sari, schwarze Haarschleifen, ich als neugierig gemusterter Beobachter, wohl versorgt durch Rosi, die Köchin, mit heißem Kaffee. Riesige Flächen werden mit kleinen Reisstrohbesen gefegt, kein trockenes Blatt darf liegen bleiben, Unkraut wird gezupft, weiter hinten wird Wäsche gewaschen, werden Haare geölt und sorgfältig zu langen Zöpfen geflochten. Und immer wieder ein Lächeln und ein Gruß mit aneinander gelegten Händen. Ganz Mutige trauen sich zu mir auf die Veranda, fragen nach meinem Namen und nennen den ihren. Dieses alles inmitten der ländlichen Idylle, die ich schon bei meiner Ankunft so wohltuend empfunden hatte. Zusätzlich ist Jetzt die Luft erfüllt von einem unvorstellbar lauten Vogelkonzert. Das ist ein Gezwitscher und Geschluchze, ein Pfeifen, Flöten und Schnalzen, wie ich es noch nie gehört habe.
Das Frühstück entspricht dem Abendessen, "rice and curry", nur alles kalt serviert. Brot gibt es ebenso wenig wie Marmelade, klärt mich Sonja auf. Sie weist mich auch darauf hin, dass man nur zusammen mit Mano in das Dorf gehen dürfe, Exkursionen allein wären nicht erwünscht. Für den Abend sei aber ein solcher Rundgang geplant. Diese Information verunsichert mich, ärgert mich aber auch, lasse ich mich doch nur ungern in meiner Bewegungsfreiheit einschränken. So beschließe ich, mich erst auf dem Gelände noch einmal genauer umzusehen. Besonders die ehemalige halbverfallene Küche hat es mir angetan, hatte ich doch dort gestern etliches altes Gerümpel entdeckt.
Tatsächlich werde ich bei genauerer Inspektion fündig. Ich entdecke nicht nur den wunderschönen alten Granitmörser der Urgroßeltem, sondern auch einen Petroleumlampenschirm, den die Urgroßmutter in einem ihrer Briefe besonders erwähnt hatte. Stolz zeige ich Mano die Schätze, sie freut sich mit mir und stimmt meiner Bitte zu, diese Dinge mit nach Deutschland nehmen zu dürfen.
Bei einer Tasse Tee denke ich noch einmal über das angebliche Verbot nach, allein durch das Dorf zu gehen und beschließe, mich darüber hinweg zu setzen und einfach los zu laufen, zwar noch sehr unsicher, aber mit einem festen Ziel, dem kleinen Friedhof am Eingang des Dorfes. Verwunderte Blicke begleiten mich, aber mein Tamilgruß "vanakam" wird von Vielen auch freundlich erwidert. Der Friedhof ist von einer halb zerfallenen Mauer umgeben, Kühe und Ziegen haben ungehinderten Zugang und grasen zwischen den Gräbern. Und dann stehe ich plötzlich am Grab des Nachfolgers meines Urgroßvaters, des Pastors Schomerus, der hier nach nur fünfjähriger Tätigkeit starb. Ich bin sehr gerührt und als ich dann noch lese, dass er in Marienhafe geboren wurde, ist es um meine Fassung geschehen, und ich lasse den Tränen freien Lauf, hat dieser Ort doch für meine Frau und mich eine ganz besondere Bedeutung.
Wieder zurück auf dem Compound, hat Aron, der Gärtner, das einzig vorhandene Fahrrad hergerichtet. Soweit als möglich ist es gereinigt und vor allem aufgepumpt. Eine kurze Runde auf dem Gelände -Rücktritt gibt es nicht und die Handbremse spricht kaum an. Was macht das schon, bei der Hitze werde ich sowieso nicht schnell fahren. Und dann hält es mich nicht mehr, ich muss wieder raus, dieses Mal per Rad, am schon bekannten Friedhof vorbei und dann Richtung Hindudorf. So auf dem Rad kann ich mir einen guten Überblick verschaffen, werde ungläubig gemustert, von Niemandem gegrüßt und einige Kleinkinder rennen schreiend zu ihren Müttern, als sie mich sehen. Erst im Christendorf wird die Stimmung wieder etwas freundlicher. Sonja ist sehr irritiert, dass ich mich einfach so über ihre Empfehlungen hinweggesetzt habe und teilt mit, dass sie uns am Abend auf dem Dorfrundgang nicht begleiten würde. So mache ich mich alleine mit Mano auf den Weg, eine gute Möglichkeit, sich näher kennen zu lernen. Unsere erste Station ist das Heim für Jungen der Kabis-Schule, ca. 4
0 Schüler leben dort, ähnlich wie die Mädchen auf unserem Compound. Der Betreuer zeigt uns die Räumlichkeiten, auch hier wird auf dem Boden geschlafen, alles ist gleich ärmlich und spartanisch. Ich kann erste Kontakte zu den Jungen knüpfen, schwarze Augen strahlen mich an, ich spreche ein wenig mit ihnen und als der erste mir zaghaft die Hand reichte ist das Eis gebrochen. Alle wollen mich begrüßen, meine Hand schütteln, natürlich nur die rechte,. und ich werde sie kaum wieder los. Da wir weiter müssen, um rechtzeitig vor der plötzlich einsetzenden Dunkelheit wieder zurück zu sein, kann ich ihnen nur versprechen, sie in zwei Tagen in ihrer Schule zu treffen. 

Am Dorfrand besuchen wir den Friedhof, und ich zeige Mano das Grab von Pastor Schomerus.
Auf dem weiteren Weg erzähle ich ihr Einzelheiten über das Leben der Urgroßeltern hier in dieser Gemeinde und erhalte von ihr Informationen über das Hindudorf. Vor den Hütten sehen wir wunderschöne Kolams, teilweise mit Blüten verziert.

Mano spricht eine Frau an, die Blumenketten auffädelt und bekommt eine Blumenschleife herrlich duftender   Blüten für ihr Haar geschenkt.
Wieder zurück in unserem Christendorf werden wir von einem alten Mann, Mr. Williams, für den kommenden Abend eingeladen. Er weiß aus den Erzählungen seines Vaters noch sehr viele Einzelheiten über den Urgroßvater.
Das Abendessen wieder "rice and curry", neu für mich jedoch das Glas warmer Milch zu später Stunde. Zuvor aber noch die Abendandacht bei den Mädchen, von  Sonja gehalten und von Mano übersetzt. Ich sitze etwas hilflos daneben, habe meine Rolle noch nicht gefunden, argwöhnisch von Sonja beobachtet. Ich möchte ihr nichts wegnehmen, aber sie muss ihre Rolle neu definieren, hat sie doch nun nicht mehr die ungeteilte Aufmerksamkeit Manos und der Mädchen.
Auf meinem Zimmer räume ich die letzten Sachen in den Schrank, gönne mir einen Palinka und ergänze meine Notizen, bevor ich müde und glücklich unter mein Moskitonetz krieche.


Friedhelm Beyreiss

 

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