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Für uns in
Deutschland ist es nicht leicht, sich vorzustellen, was hinter einer
Patenschaft, wie sie über unsere Patenschaftsinitiative „Amy Carmichel“
vermittelt wird, für die betroffenen Kinder selbst steckt.
Artikel von Mitarbeitern verschiedener Hilfsorganisationen habe ich schon
oft gelesen – oder Berichte, von Besuchen in derartigen Projekten, gehört.
Meine Pflegetochter Shobana war bereit, in
einem kleinen Interview, ihre eigene Sicht einmal zu schildern.
Sie kommt aus einem kleinen Dorf namens
Ikkadu und stammt aus einer (1990) sehr armen Tagelöhnerfamilie (Vater
Landarbeiter, Mutter Hausfrau – beide Analphabeten) mit insgesamt drei
Kindern (zwei Jungen und sie). Ohne Patenschaft hätte sie als Kind keine
Chance zu einem Schulabschluss gehabt – Töchter gelten in Indien auch
heutzutage noch oft als „unnütz“.
Inzwischen hat sich (gerade) durch sie –
und ihre abgeschlossene Ausbildung, die Familiensituation wesentlich
gebessert. Jetzt ist Shobana diejenige, die mit ihrem Gehalt ihrem kleinen
Bruder den Schulabschluss (Gymnasium) finanziert hat – und ebenfalls eine Berufsausbildung
als Lehrer ermöglicht.
Hier nun das Interview:
Wie war es damals überhaupt dazu
gekommen, dass Du als Kind ins Internat in Pandur aufgenommen
wurdest?
Meine Aufnahme ins
TELC „Frolich Home“ geschah 1990 über die Vermittlung meiner Tante. Ich
war damals 10 Jahre alt – und meine Tante hatte die Befürchtung, dass,
wenn ich zu Hause wohnen bleibe und die lokale Schule sowie eine
weiterführende Schule von Ikkadu aus besuchen müsste, es nie wirklich dazu
kommen würde. Meine Eltern hätten dann einfach meine Schulausbildung
abgebrochen. So hat sie mich aber ins „Frolich Home“ gebracht, damit ich
dort aufgenommen wurde – und die Schulausbildung am Gymnasium in Pandur
weiterführen und abschließen konnte.
Wie wurdest Du
dann zu einem Patenkind?
Das war damals in
Pandur ganz normal. Wie jedes andere Kind, das neu im „Frolich Home“
ankam, schrieb auch ich einen „Vorstellungsbrief“ und schickte ihn nach
Deutschland. Schon bald darauf bekam ich einen Brief von einem Herrn
Winfried Stelle, der besagte, dass er nun mein Pate ist – und auch ein
Freund für mich sein möchte.
War die
Patenschaft eine wichtige Hilfe für Dich und Dein Leben?
Ja, unbedingt. Ohne
meine Patenschaft hätte ich nie die Chance gehabt meine Schulausbildung
mit einem Abschluss der 12.Klasse zu beenden – und die Finanzierung meiner
Internatskosten wäre nicht möglich gewesen (Verpflegung, Kleidung,
Gesundheitssorge, Schuluniform, Weihnachts- und andere Geschenke sowie
alles weitere).
Ich hätte auf einem
anderen Weg auch nie daran denken können, eine Ausbildung als Ingenieur
für Elektrotechnik und Elektronik, noch dazu mit einem Diplomabschluss, zu
beginnen - und die beiden Zusatzausbildungen wären für mich, ohne die
zusätzliche Hilfe durch meinen Pflegevater, ebenfalls nie in Betracht
gekommen.
Welche
Zusatzausbildungen waren das? - Und als was arbeitest Du jetzt?
Nach meinem
4-jährigen Ingenieurstudium konnte ich noch eine einjährige
Computerausbildung (u.a. Webdesign) mit Diplom und eine Weiterbildung bei
der Elektrizitätsbehörde von Tamil Nadu (TNEB) belegen. Inzwischen arbeite
ich als Dozentin am Polytechnischen College in Chennai.
Was denkst Du,
wäre aus deinem Leben geworden, wenn Du die Chance mit der Patenschaft nicht gehabt hättest?
Wenn ich die Chance
mit der Patenschaft nicht gehabt hätte? Nun, dann wäre ich dazu gezwungen,
zu Hause zu sitzen und darauf zu warten, dass mir die Eltern einen
Bräutigam suchen (den ich gar nicht wollte).
Ich selber kann
nicht glauben, dass ein Mädchen, dass wie ich aus einem abgelegen Dorf in
Indien kommt - und noch dazu aus einer Familie ohne jegliche Bildung, auch
nur die geringste Chance hat, irgendein Ziel zu erreichen. – Ohne solch
eine Art von Unterstützung, wie ich sie von dir erhalten habe, ist da gar
nichts möglich.
Danke für das Interview!
Winfried Stelle
/ Shobana Devandiren
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Das
Interview wurde im Herbst 2006 geführt.
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